Wissenschaftlich fundierte Impulse für Leadership und Psychologie 4.0
Micha Portmann

Führung als psychologischer Resonanzraum: Zur Tiefenstruktur moderner Führung
(Fachartikel 1)- by Micha Portmann
Wenn Führung nicht bloss Struktur, sondern auch Beziehung ist, dann wird sie zum psychologischen Resonanzraum für kollektive Emotion, Dynamik und Sinn.
Führung im Wandel
In Zeiten tiefgreifender Transformationen stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, nicht nur funktional zu organisieren, sondern auch psychologisch wirksam zu handeln. Die Anforderungen an Führung reichen heute weit über Effizienz und Zielerreichung hinaus: Sie umfassen emotionale Regulation, psychologische Sicherheit und die Fähigkeit, als Projektionsfläche und Container organisationaler Prozesse zu wirken (Kets de Vries, 2014; Obholzer & Roberts, 1994). Die Führungsbeziehung wird damit zu einem Resonanzraum – einem Ort, an dem sich Emotionen, Erwartungen, Werte und Sinn im gemeinsamen Vollzug verdichten (Rosa, 2019).
Der psychologische Resonanzraum: Begriff und Bedeutung
Hartmut Rosa (2019) beschreibt Resonanz als eine Beziehung, in der Subjekte sich durch wechselseitige Berührung verändern. Auf Führung übertragen bedeutet dies: Dort, wo Führung wirkt, entsteht ein emotional getönter, bidirektionaler Raum, in dem Veränderung möglich wird. Resonanz ist jedoch kein harmonischer Dauerzustand, sondern ein Prozess, der auch Verstörungen, Dissonanz und Irritation umfasst – gerade diese machen Entwicklung erst möglich (Siegel, 2010).
Aus psychodynamischer Perspektive agiert die Führungskraft dabei als affektives Container-System (Bion, 1961): Sie nimmt ungefilterte emotionale Prozesse des Teams auf, transformiert und reflektiert sie, um sie in bearbeitbare Bahnen zu lenken. Führung wird so zu einem Spiegel kollektiver Affekte, Spannungen und Projektionen – und bietet zugleich die Möglichkeit, diese bewusst zu regulieren.
Zwischen Übertragung und Steuerung: Die Unsichtbarkeit der Führung
Die Tiefenstruktur der Führungsdynamik bleibt oft unsichtbar. Kets de Vries (2014) spricht von der „inneren Theaterbühne“ der Organisation, auf der sich unbewusste Rollenverteilungen, Fantasien und Machtkonflikte abspielen. Führungskräfte sind Projektionsflächen für kindliche Wünsche, Ängste und Erwartungen – Phänomene wie Übertragung, Gegenübertragung oder Regression werden dadurch zu zentralen Bestandteilen organisationaler Realität (Obholzer & Roberts, 1994; Sievers, 2009).
Der Umgang mit diesen latenten Dynamiken erfordert mehr als Managementkompetenz – er verlangt Selbstreflexion, psychologische Differenzierungsfähigkeit und emotionale Kohärenz (Siegel, 2010). Die Fähigkeit, sich selbst als Teil dieser Dynamik zu erkennen und zugleich strukturierend zu intervenieren, macht Führung zu einer emotional intelligenten Praxis.
Systemische und psychodynamische Perspektiven: Eine Gegenüberstellung
Ein spannender Blick auf Führung eröffnet sich, wenn man zwei grundlegende Perspektiven gegenüberstellt: die systemisch-konstruktivistische und die psychodynamisch-interaktionistische. Beide rahmen Führung radikal unterschiedlich – und gerade darin liegt ihr Wert für eine differenzierte Reflexion emotionaler Komplexität.
In der systemischen Sichtweise – etwa bei Luhmann (2000) – wird Führung als Teil rekursiver Kommunikation verstanden. Sie operiert nicht aus einer zentralen Instanz heraus, sondern innerhalb sozialer Systeme, in denen Sinn, Struktur und Kontext verhandelt werden. Führung ist hier weniger Person als Funktion – sie dient der Herstellung von Entscheidungsfähigkeit in komplexen, sich selbst referenzierenden Systemen. Rationalisierung, Mustererkennung und die Fähigkeit zur Kontextdeutung stehen im Zentrum. Coaching und systemische Beratung bauen auf dieser Logik auf.
Demgegenüber stellt die psychodynamisch-interaktionistische Perspektive – inspiriert durch Autoren wie Bion (1961) – das Unbewusste und die affektive Dimension von Gruppenprozessen ins Zentrum. Führung wird als Projektionsfläche verstanden, auf der kollektive Ängste, Abwehrmechanismen und Übertragungen sichtbar werden. Hier ist nicht nur kognitive Deutung, sondern emotionale Containment-Kompetenz gefragt: die Fähigkeit, Affekte auszuhalten, zu spiegeln und zur gemeinsamen Reflexion zu bringen. Supervision und psychoanalytische Beratung knüpfen an dieses Verständnis an.
Während die systemische Perspektive Orientierung in komplexen Entscheidungssystemen bietet, eröffnet die psychodynamische Sicht Räume für emotionale Tiefe, Selbsterkenntnis und Affektregulation. In der Praxis anspruchsvoller Führungssituationen sind beide Perspektiven nicht alternativ, sondern komplementär.
Beide Perspektiven bieten wertvolle Einsichten: Während systemische Ansätze helfen, die Komplexität sozialer Systeme zu erfassen, sensibilisieren psychodynamische Modelle für die unbewusste Wirkungsmacht affektiver Prozesse. Ihre Kombination eröffnet ein ganzheitliches Verständnis von Führung als Beziehungsarbeit im Spannungsfeld zwischen Struktur und Psyche.
Resonanz ermöglichen: Praktische Implikationen für Führungskräfte
Psychologische Resonanzräume entstehen nicht von selbst – sie müssen gestaltet werden. Drei zentrale Praxisdimensionen lassen sich daraus ableiten:
- Selbstführung und Achtsamkeit: Die Fähigkeit zur Selbstregulation bildet die Grundlage für jede wirksame Führungsbeziehung (Siegel, 2010). Nur wer sich selbst wahrnimmt und reflektiert, kann mit Ambivalenz, Angst und Spannung konstruktiv umgehen.
- Psychologische Sicherheit im Team: Studien zeigen, dass Teams dann besonders leistungsfähig sind, wenn sie ein Klima von psychologischer Sicherheit erleben (Edmondson, 2018). Führungskräfte tragen hier eine zentrale Verantwortung, emotionale Risikobereitschaft zu ermöglichen.
- Emotionale Differenzierungsfähigkeit: Die Kunst besteht nicht darin, Emotionen zu vermeiden, sondern sie feinfühlig zu differenzieren, zu benennen und zu integrieren. Goffman (1959) spricht hier von der „Regie des Selbst“ – einer Fähigkeit, situationsgerecht zwischen Rollen zu navigieren, ohne Authentizität zu verlieren.
Trotz der wachsenden Bedeutung psychologischer Aspekte in der Führung bleibt zu fragen, ob Resonanz nicht auch ein Überforderungsphänomen birgt. Muss die Führungskraft heute alles sein: Coach, Therapeut, Visionär, Stabilitätsanker? Der Anspruch an ständige emotionale Verfügbarkeit kann zur emotionalen Erschöpfung führen – gerade in sozialen Berufen (Keller & Reder, 2021).
Hier braucht es Grenzmanagement: Resonanz darf nicht zur Entgrenzung führen, sondern muss durch klare Rollen, Strukturen und persönliche Integrität balanciert werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Resonanz in allen organisationalen Kontexten gleichermassen möglich oder überhaupt erwünscht ist – gerade in hoch funktionalen, hierarchischen oder risikoaversen Strukturen kann ein zu starker Fokus auf emotionale Prozesse dysfunktionale Effekte erzeugen.
Führung als Raum für Entwicklung
Führung als psychologischer Resonanzraum eröffnet ein vertieftes Verständnis dafür, wie Beziehungsdynamiken im Team nicht nur reflektiert, sondern aktiv gestaltet werden können. Die Führungskraft fungiert dabei als emotionaler Knotenpunkt, der emotionale Spannungen aufnimmt, kanalisieren und produktiv in die kollektive Leistung einbringen kann. Dieses Konzept erweitert die traditionelle Sicht auf Führung als rein strukturierende und koordinierende Aufgabe hin zu einer integrativen Praxis, die psychologische, emotionale und soziale Aspekte gleichwertig berücksichtigt.
Gleichzeitig wird deutlich, dass diese anspruchsvolle Aufgabe nur durch ein hohes Maß an Selbstführung, Achtsamkeit und emotionaler Reife gelingen kann. Führung ist damit keine angeborene Eigenschaft, sondern ein entwickelbarer Kompetenzbereich, der kontinuierliche Reflexion und gezielte Weiterbildung erfordert. Die Herausforderung besteht darin, eine Balance zu finden zwischen empathischem Engagement und notwendiger professioneller Distanz, um Überforderung zu vermeiden und eine nachhaltige Führungsarbeit sicherzustellen.
Nicht zuletzt zeigt sich, dass Resonanzräume nur in einem Klima psychologischer Sicherheit entstehen können, das von der Führungskraft maßgeblich mitgestaltet wird. Führung wird so zu einem dynamischen Prozess, der nicht nur Effizienz und Zielerreichung fördert, sondern auch die emotionale und soziale Entwicklung von Teams und Organisationen befördert.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Führung als psychologischer Resonanzraum kein Selbstzweck ist, sondern eine hochprofessionelle Praxis, die im Spannungsfeld zwischen Struktur und Psyche wirksam wird – und gerade in komplexen, sich schnell wandelnden organisationalen Kontexten zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Literaturverzeichnis
Bion, W. R. (1961). Experiences in groups. London: Tavistock.
Edmondson, A. C. (2018). The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. Wiley.
Goffman, E. (1959). The presentation of self in everyday life. Anchor Books.
Heifetz, R. A. (1994). Leadership without easy answers. Harvard University Press.
Keller, R., & Reder, M. (2021). Emotionale Erschöpfung im Leadership: Grenzen und Schutzfaktoren. Springer VS.
Kets de Vries, M. F. R. (2014). Coaching the toxic leader. Harvard Business Review.
Luhmann, N. (2000). Organisation und Entscheidung. Westdeutscher Verlag.
Obholzer, A., & Roberts, V. Z. (Eds.). (1994). The unconscious at work: Individual and organizational stress in the human services. Routledge.
Rosa, H. (2019). Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp.
Siegel, D. J. (2010). Mindsight: The new science of personal transformation. Bantam Books.
Sievers, B. (2009). Psychoanalyse und Organisation: Die Organisation als psychischer Raum. Vandenhoeck & Ruprecht.
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Emotionale Komplexität in der Führung – Zwischen Selbstführung und Empathie
Einleitung
Die Rolle von Führung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten tiefgreifend gewandelt. Neben traditionellen Anforderungen wie Entscheidungsfähigkeit und Fachkompetenz rückt zunehmend die emotionale Dimension in den Vordergrund. Die Fähigkeit, komplexe emotionale Zustände sowohl bei sich selbst als auch bei Mitarbeitenden differenziert wahrzunehmen und zu steuern, wird als zentrale Kompetenz zeitgemäßer Führung diskutiert (Goleman, 1998). Emotionale Komplexität, verstanden als die differenzierte Wahrnehmung und Integration mehrerer gleichzeitig auftretender Emotionen, eröffnet einen neuen Blick auf Führung als dynamischen emotionalen Resonanzraum (Lopes et al., 2006; Schneider et al., 2013).
Dieser Artikel hat das Ziel, emotionale Komplexität aus psychologischer und organisationswissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten, die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen kritisch zu diskutieren und Implikationen für die Praxis sowie die Forschung abzuleiten.
1. Begriffliche Grundlagen: Was ist emotionale Komplexität?
Emotionale Komplexität beschreibt die Fähigkeit, verschiedene und mitunter widersprüchliche Gefühle gleichzeitig bewusst wahrzunehmen, zu differenzieren und in Entscheidungs- und Handlungsprozesse zu integrieren (Lopes et al., 2006). Dieses Konzept ist eng verwandt mit emotionaler Intelligenz (Mayer, Salovey & Caruso, 2008) und emotionaler Differenziertheit (Lindquist & Barrett, 2008), geht aber über diese hinaus, indem es die Mehrdimensionalität emotionaler Erfahrungen in den Mittelpunkt stellt.
In Führungssituationen ermöglicht emotionale Komplexität ein präzises Erkennen und angemessenes Reagieren auf die emotionale Landschaft sowohl der eigenen Person als auch der Mitarbeitenden. Dadurch können Führungskräfte Ambivalenzen und emotionale Spannungen als produktive Ressourcen für Kommunikation und Zusammenarbeit nutzen.
Die klassische Führungstheorie legte lange Zeit den Fokus auf rationale Entscheidungsfindung und verhaltensorientierte Modelle (Yukl, 2013). Transformationale Führungstheorien erweiterten diesen Fokus um die emotionale Bindung an Visionen und Werte (Bass & Riggio, 2006). Emotionale Komplexität ergänzt diese Perspektive durch die Betonung der Fähigkeit, vielfältige emotionale Zustände als integralen Bestandteil des Führungsprozesses zu begreifen.
2. Die Bedeutung emotionaler Komplexität für wirksame Führung
Empirische Studien zeigen, dass Führungskräfte mit hoher emotionaler Komplexität besser darin sind, emotionale Ambiguitäten auszuhalten, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und die Perspektivenvielfalt im Team zu erkennen (Schneider et al., 2013). Diese Kompetenzen korrelieren mit einer höheren Teamkohäsion, gesteigerter Motivation und verbesserten Entscheidungsprozessen (Lopes et al., 2006).
Darüber hinaus unterstützt emotionale Komplexität die Entwicklung von Empathie und Perspektivübernahme, welche essenziell für vertrauensvolle und konstruktive Beziehungen sind (Davis, 1983). Gerade in komplexen, von Unsicherheit geprägten organisationalen Umfeldern fördert sie die Konfliktlösungskompetenz und Innovationsfähigkeit (Ashkanasy & Daus, 2005).
3. Herausforderungen und kritische Reflexion
Trotz ihrer Vorteile ist emotionale Komplexität nicht uneingeschränkt positiv. Eine intensive emotionale Selbstreflexion kann zu Überforderung und Entscheidungsblockaden führen (Kets de Vries, 2006). Die Gefahr einer „Emotionalitätsspirale“ besteht, wenn Führungskräfte sich in widersprüchlichen Gefühlen verfangen und dadurch handlungsunfähig werden.
Organisationskulturen spielen eine entscheidende Rolle: In stark hierarchischen oder leistungsorientierten Kontexten wird emotionale Komplexität oft als Schwäche interpretiert und unterdrückt (Fischer & Manstead, 2008; Schein, 2010). Das erschwert eine offene Auseinandersetzung mit emotionalen Themen und limitiert die Entwicklung emotional kompetenter Führung.
Zudem ist die Frage der nachhaltigen Trainierbarkeit emotionaler Komplexität offen. Während Trainings emotionaler Intelligenz kurzfristige Verbesserungen bewirken können (Boyatzis & McKee, 2005), ist der langfristige Transfer auf komplexe Führungsaufgaben empirisch wenig belegt (Ashkanasy & Daus, 2005). Kritisch ist zudem, dass individuelle Kompetenzen nicht ausreichen, um strukturelle Probleme und Stressursachen auf organisationaler Ebene zu adressieren (Edmondson, 2018).
Die psychodynamische Perspektive verweist auf unbewusste Abwehrmechanismen, die durch emotionale Komplexität aktiviert werden können. Hierdurch entstehen Spannungen, die systemisches Denken und tiefgehendes Verständnis für Gruppendynamiken erfordern (Obholzer & Roberts, 1994).
4. Praktische Implikationen und Ausblick
Führungskräfte sollten eine Balance finden zwischen emotionaler Komplexität und Handlungsfähigkeit. Zu viel Fokus auf emotionale Prozesse kann lähmen, zu wenig führt zu einseitiger Rationalität. Organisationskulturen sind gefordert, einen Rahmen zu schaffen, der emotionale Vielfalt anerkennt und deren konstruktive Nutzung unterstützt.
Zukünftige Forschung sollte vor allem longitudinal untersuchen, wie sich emotionale Komplexität bei Führungskräften entwickelt und welchen Einfluss organisationale Rahmenbedingungen darauf haben. Dabei ist es essenziell, Interventionen zu identifizieren, die nicht nur individuelle Kompetenzen fördern, sondern auch systemische Dynamiken berücksichtigen.
Fazit
Emotionale Komplexität ist eine zentrale Ressource für zeitgemässe Führung. Sie befähigt Führungskräfte, vielschichtige emotionale Zustände differenziert zu erfassen und situationsgerecht zu steuern (Lindquist & Barrett, 2008; Mayer et al., 2008). Damit wird es möglich, auf die komplexen Bedürfnisse von Mitarbeitenden und die Herausforderungen dynamischer organisationaler Umfelder sensibel und adaptiv zu reagieren (Goleman, 1998; Lopes et al., 2006).
Gleichzeitig bergen die Ambivalenzen der emotionalen Komplexität Risiken wie Überforderung und Entscheidungsunsicherheit (Schneider et al., 2013; Ashkanasy & Daus, 2005). Die Kunst liegt darin, empathische Offenheit mit professioneller Distanz zu balancieren, was reflektiertes Selbstmanagement und systemisches Denken erfordert (Boyatzis & McKee, 2005; Yukl, 2013).
In der aktuellen Führungsliteratur wird zunehmend betont, dass emotionale Vielfalt als Ressource für Kreativität, psychologische Sicherheit und organisationale Resilienz zu verstehen ist (Edmondson, 2018; Schein, 2010). Eine integrative Praxis, die individuelle und systemische Ebenen miteinander verbindet, ist notwendig, um das volle Potenzial emotionaler Komplexität in der Führung zu entfalten (Obholzer & Roberts, 1994).
Literatur
- Ashkanasy, N. M., & Daus, C. S. (2005). Rumors of the death of emotional intelligence in organizational behavior are vastly exaggerated. Journal of Organizational Behavior, 26(4), 441–452.
- Bass, B. M., & Riggio, R. E. (2006). Transformational leadership (2nd ed.). Lawrence Erlbaum Associates.
- Boyatzis, R., & McKee, A. (2005). Resonant leadership: Renewing yourself and connecting with others through mindfulness, hope, and compassion. Harvard Business School Press.
- Davis, M. H. (1983). Measuring individual differences in empathy: Evidence for a multidimensional approach. Journal of Personality and Social Psychology, 44(1), 113–126.
- Edmondson, A. C. (2018). The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. Wiley.
- Fischer, A. H., & Manstead, A. S. R. (2008). Social functions of emotion. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Eds.), Handbook of emotions (3rd ed., pp. 456–468). Guilford Press.
- Goleman, D. (1998). Working with emotional intelligence. Bantam Books.
- Kets de Vries, M. F. R. (2006). The leader on the couch: A clinical approach to changing people and organizations. Jossey-Bass.
- Lindquist, K. A., & Barrett, L. F. (2008). Emotional complexity. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Eds.), Handbook of emotions (3rd ed., pp. 513–530). Guilford Press.
- Lopes, P. N., Salovey, P., Côté, S., & Beers, M. (2006). Emotion regulation abilities and the quality of social interaction. Emotion, 6(1), 113–118.
- Mayer, J. D., Salovey, P., & Caruso, D. R. (2008). Emotional intelligence: New ability or eclectic traits? American Psychologist, 63(6), 503–517.
- Obholzer, A., & Roberts, V. Z. (1994). The unconscious at work: Individual and organizational stress in the human services. Routledge.
- Schneider, S. C., Barsoux, J.-L., & Stahl, G. K. (2013). Managing across cultures (3rd ed.). Pearson.
- Schein, E. H. (2010). Organizational culture and leadership (4th ed.). Jossey-Bass.
- Yukl, G. (2013). Leadership in organizations (8th ed.). Pearson.
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Selbstkomplexität und Führungsidentität – Die innere Architektur resilienter Führungspersönlichkeiten
Next Work Psychology – Teil 3 Von Micha Portmann
Führungspersönlichkeit entsteht dort, wo Menschen lernen, innere Widersprüche nicht aufzulösen, sondern als Teil einer vielschichtigen Identität zu integrieren.
Einleitung: Wenn Führung zur Identitätsarbeit wird
In einer Welt, in der Führung zunehmend fluide, kontextabhängig und emotional verdichtet stattfindet, gerät die klassische Vorstellung eines stabilen, konsistenten Führungs-Selbstbildes ins Wanken. Die Anforderungen an Führungspersönlichkeiten, sich situativ anzupassen, ohne sich selbst zu verlieren, führen zur entscheidenden Frage: Wie gelingt es Führungskräften, angesichts widersprüchlicher Rollen und Erwartungen psychisch kohärent zu bleiben? Dieser Artikel fokussiert die theoretische und praktische Relevanz von Selbstkomplexität für die Entwicklung einer resilienten, integrativen Führungsidentität.
Selbstkomplexität als psychische Schutzstruktur
Die Theorie der Selbstkomplexität wurde ursprünglich von Patricia Linville (1985) entwickelt und beschreibt das Ausmass, in dem eine Person unterschiedliche Selbstaspekte (z. B. berufliche Rolle, familiäre Rolle, persönliche Ideale) differenziert organisiert. Menschen mit hoher Selbstkomplexität verfügen über ein vielfältiges, aber strukturiertes Selbst, das sie in die Lage versetzt, Belastungen abzufedern: Wenn ein Selbstaspekt (z. B. als Führungskraft) unter Druck gerät, können andere Selbstaspekte psychisch stabilisierend wirken.
Empirisch konnte Linville zeigen, dass Menschen mit höherer Selbstkomplexität weniger stark auf Misserfolge reagieren – weil sie diese nicht als globales Scheitern erleben, sondern als lokales Ereignis innerhalb eines grösseren psychischen Systems (Linville, 1985).
Gerade im Führungskontext bedeutet dies: Selbstkomplexe Führungspersönlichkeiten haben eine höhere Stressresistenz, weil sie nicht monoperspektivisch auf ihre Führungsrolle fixiert sind. Ihre Identität ruht auf mehreren inneren Säulen.
Führungsidentität als narratives Konstrukt
Die Ausbildung von Identität ist keine biologische, sondern eine narrative Leistung (McAdams, 1995). Führungspersönlichkeiten müssen in der Lage sein, ihre vielfältigen inneren Rollen, Werte und biographischen Erfahrungen zu einer kohärenten Lebensgeschichte zu verweben. Diese narrative Kohärenz ermöglicht es, trotz innerer Widersprüche handlungsfähig zu bleiben. In der Führungspraxis bedeutet das:
- Sich nicht als entweder empathisch oder durchsetzungsstark zu begreifen,
- sondern als jemand, der kontextuell zwischen diesen Polen navigiert – und dabei seinem inneren Kompass folgt.
McAdams nennt diese Form der Identitätskonstruktion eine personal myth, eine tief strukturierte Selbstdeutung, die Sinn stiftet, Ambivalenzen integriert und Handlungsfähigkeit erzeugt (McAdams, 1995).
3. Risiken: Fragmentierung und Rollenstress
Selbstkomplexität ist kein Allheilmittel. Studien weisen darauf hin, dass eine zu hohe Selbstkomplexität – vor allem wenn unintegriert – auch Risiken birgt:
- Fragmentierung: Wenn die verschiedenen Selbstanteile nicht verbunden sind, droht eine „zerrissene“ Identität.
- Rollenstress: Divergierende Erwartungen führen zu einem inneren „Kampf der Rollen“.
- Authentizitätsparadox: Je mehr Rollen verfügbar sind, desto schwieriger wird es, authentisch zu sein.
Führungskräfte laufen Gefahr, zur Projektionsfläche für systemische Widersprüche zu werden. Wer keine integrierte Führungsidentität entwickelt, wird zum Spielball organisationaler Zuschreibungen. Eine wichtige Gegenstrategie besteht darin, metareflexive Kompetenzen zu kultivieren: also die Fähigkeit, über sich selbst und die eigene Rollendynamik nachzudenken (Sparrowe, 2005).
Die Bedeutung narrativer Kohärenz in der Führungsarbeit
Gerade in Zeiten organisationaler Transformation und wachsender Ambiguität ist es entscheidend, dass Führungskräfte ihre multiplen Identitätsanteile als Ressourcen statt als Widersprüche begreifen. Folgende psychologische Kompetenzen sind zentral:
- Selbstreflexion: Fähigkeit zur metakognitiven Betrachtung der eigenen Rollen und Werte
- Narrative Integration: Herstellung einer sinnhaften Verbindung biographischer und professioneller Anteile
- Resilienz durch Selbstdiversität: Nutzung innerer Vielfalt zur Stressreduktion und Krisenbewältigung
Es ist kein Zufall, dass moderne Führungsliteratur zunehmend von Identity Work spricht (Ibarra, 2015). Führung ist nicht mehr nur „Tun“, sondern „Werden“ – ein kontinuierlicher Prozess der Selbst- und Kontextvergewisserung.
Diskussion: Führung zwischen Kontinuität und Wandel
Die zentrale Herausforderung liegt in der Balance: Wie kann eine Führungspersönlichkeit flexibel und doch konsistent, adaptiv und doch wertegebunden handeln?
Die Antwort liegt nicht im Ideal einer „authentischen Führungsfigur“, sondern in der Fähigkeit, multiple Selbstaspekte situativ kohärent zu aktivieren. Dabei helfen sowohl psychologische Selbstkomplexität als auch narrative Identitätsarbeit – vorausgesetzt, sie erfolgen reflektiert und bewusst.
Gleichzeitig bleibt kritisch zu diskutieren:
- Inwiefern überfordert die moderne Arbeitswelt Individuen mit der ständigen Pflicht zur Selbstoptimierung?
- Verbirgt sich hinter dem Ideal der “vielfältigen Führungspersönlichkeit” nicht auch ein neoliberales Narrativ permanenter Selbstverantwortung?
Diese Ambivalenz gilt es auszuhalten – und in ein reifes Führungsverständnis zu integrieren.
Die neue Führungsidentität ist ein Mosaik
Die Zukunft gehört nicht der perfekten Führungsfigur, sondern der vielschichtigen, reflektierten, innerlich ausbalancierten Persönlichkeit. Selbstkomplexität ist dabei kein Widerspruch zur Klarheit – sondern ihre Voraussetzung. Denn nur wer sich selbst in seiner inneren Vielfalt kennt, kann andere durch komplexe Wirklichkeiten führen.
Literatur
Ibarra, H. (2015). Act Like a Leader, Think Like a Leader. Harvard Business Review Press.
Linville, P. W. (1985). Self-complexity and affective extremity: Don’t put all your eggs in one cognitive basket. Social Cognition, 3(1), 94–120.
McAdams, D. P. (1995). The Life Story Interview. Northwestern University. Sparrowe, R. T. (2005). Authentic leadership and the narrative self. The Leadership Quarterly, 16(3), 419–439.